Sunday, 16 December 2012

010 | KORMORAN, VOGEL DES JAHRES 2010

10
Kormoran

Vogel des Jahres 2010 

Vor kurzem war ich Teil einer Diskussion ueber die zur Zeit in Deutschland im allgemeinen heissen Diskussionen ueber den Vogel des Jahres 2010 – den Kormoran, was mich dazu veranlasste in einigen alten Vogelbuechern ueber die Geschichte des Kormorans zu recherchieren.
Es ist sehr lobenswert dass der NABU im naechsten Jahr ein Resultat vieler Jahre, um nicht zu sagen fast zweier Jahrhunderte, erfolgreicher Bemuehungen, als Vogel des Jahres kuert, naemlich den Kormoran, und somit die Bevoelkerung auch auf positive Bilanzen drauf aufmerksam macht. Was jedoch bitte nicht bedeuten soll dass wir uns bezueglich des Kormoranschutzes nun zuruecklehnen duerfen, denn die Bedrohung ist noch nicht vollstaendig auf Seite geraeumt.
Haeufig kommt mir folgendes Argument zu Ohren: Der Kormoran sei eine Plage und habe sich binnen kuerzester Zeit explosionsartig vermehrt. Und an diesen Punkt – binnen kuerzester Zeit – moechte ich anknuepfen. Den wenigsten Menschen mag bewusst sein dass dieses Vermehren des Kormorans fast 200 Jahre dauerte, denn schon 1820 war er durch die Jagd fast ausgerottet worden was aus dem folgenden Ausschnitt deutlich wird. Das in Klammern Vermerkte ist von mir zu dem Originalausschnitt hinzugefuegt worden.
Schon im Jahr 1936 galt dieser Tauchkuenstler als ein seltener Fischer in deutschen Landen und man schrieb im Jahre 1936 folgendes: 

“So mancher stolze Vogel, der noch vor einem Jahrhundert in ungezaehlten Scharen die deutsche Landschaft bevoelkerte, wird durch die fortschreitende Besiedelung und durch ruecksichtslose Verfolgung zur Abwanderung veranlasst. Die Grossvogelwelt veroedet mehr und mehr. Die Naturschutzbestrebungen werden nur erfolgreich sein, wenn der Naturschutzgedanke Gemeingut des Volkes wird. Nur wenn alle die Hegebestrebungen des Staates und der Vogelschutzverbaende unterstuetzen, werden auch in der Zukunft Waldstorch und Kranich, Adler und Uhu, Fischreiher und Kormoran in deutschen Gauen horsten.
Auf dem Lindenwerder im Marungsee in Ostpreussen (damalig eine Provinz Deutschlands) und noch an einigen Orten der wasserreichen oestlichen Provinzen geniesst der Kormoran als Brutvogel eine Freistatt. Verstaendige Naturfreunde halten ihre schuetzende Hand ueber den seltenen Gast; er wird als Naturdenkmal gewertet. Vor einem Jahrhundert (also 1836) war der Kormoran im norddeutschen Flachlande noch haeufig. Urkunden aus damaliger Zeit berichten von seinem Vorkommen und bringen Zahlenangaben, die uns heute (1936) fabelhaft erscheinen. In einem Bericht aus dem Jahre 1819 heisst es dass noch vor wenigen Jahren (etwa 1810) der Kormoran eine seltene Erscheinung an unserer holsteinischen Ostkueste war. Im Fruehjahr 1812 erschienen vier Paare und siedelten sich, dem Strande nahe, in einem Gehoelze auf sehr hohen Buchen an, die seit vielen Jahren Saatkraehen und Reihern als Brutplatz gedient hatten. Sie vertrieben zwei Reiherfamilien von ihren Nestern, bruteten zweimal und verliessen – dreissig an der Zahl – im Herbst die Gegend. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Brutpaare; bald (ungefaehr 1818) waren es siebentausend und mehr. Auf einigen Baeumen standen fuenfzig Scharbennester. Ihr Geschrei erfuellte die Luft, und die Ausduenstung der faulenden Fische auf dem Nestrand und dem Waldboden verpestete die Gegend. Der Schaden der fischenden Voegel in den Seen war unermesslich, deshalb beschloss man ihren Abschuss. An einzelnen Tagen wurden vier- bis fuenfhundert Kormorane geschossen, und in wenigen Jahren (vielleicht 1820) gelang ihre voellige Vertreibung. (Eine passendere Bezeichnung waere das Wort Ausrottung). Die Verfolgung des Kormorans ist allzu gruendlich besorgt. Nur an wenig Orten des deutschen Ostens lebt er als Brutvogel, in andere wasserreiche Gegenden kommt er als seltener Irrgast. Heute (1936) wuerde man ihm gern das Niederlassungsrecht einraeumen, man wuerde ihn dulden, wie man den Reiher duldet, bietet er doch ein praechtiges Bild, wenn er nach erfolgreicher Taucharbeit mit schnellem Schwingenschlag sich aus den blanken Fluten erhebt und wie ein fliegendes Kreuz ueber die gleissenden Wasserflaechen dahinschiesst.” 

Dieser Ausschnitt ist insofern sehr aufschlussreich, weil uns anhand dessen bewusst wird dass der heutige deutschlandweit erreichte Populationsstand des Kormorans mit 24 000 Brutpaaren das Resultat von knapp 200-jaehrigem Bemuehen ist. Er weist uns auch auf einen typischen Charakter des Menschen hin, naemlich Fehler zu wiederholen weil die Vergangenheit oft in Vergessenheit geraet. Diejenigen, sowie Fischer, Teichbesitzer und Andere, die die Jagd auf den Kormoran befuerworten, laufen Gefahr eine Wiederholungstat zu taetigen. Die Vergangenheit, siehe Ausschnitt, zeigt uns dass die Jagd auf den Kormoran schon einmal zur Bedrohung des Kormorans fuehrte. Warum also diesen Fehler wiederholen, haben wir nicht aus der Vergangenheit gelernt? Da brauchen wir auch nicht von einer kontrollierten Jagd zu sprechen weil der Kormoran reguliert seine Population von selbst weil er sich seinem bestehenden Nahrungsangebot anpasst.
Es ist einfach mal an der Zeit, dass die Spezie Mensch allmaehlich erwacht und begreift dass es an der Zeit ist, sich mit seiner haeufig zerstoerenden Ueberbevoelkerung an seinen lebensspendenden Goenner – naemlich die Natur – anpasst und aufhoert immer zu versuchen die Natur sich unterordnen zu wollen. Das wird langfristig nie funktionieren, schon alleine deswegen weil wir Menschen von der Natur abhaengig sind und nicht die Natur von uns. Je schneller dieses Bewusstsein Gemeingut der Bevoelkerung wird und nicht nur das, sondern wir auch dementsprechend handeln, desto besser sind unsere Ueberlebenschancen und die vieler anderer Lebensformen. 

Stefan Rust

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