Saturday, 15 December 2012

006 | EVOLUTION IM GONDWANA CANYON PARK

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Evolution im Gondwana Canyon Park? 

Text und Bilder von STEFAN RUST 

J. Hanzak schrieb in seinem im Jahre 1971 erschienenen Buch “Das große Bilderlexikon der Vögel”: “Während ihrer langen Entwicklung haben sich die Vögel dem Leben in ganz verschiedenartigen Umwelten angepasst, so dass sie heute in ihrer Erscheinung, in der Gestaltung des Schnabels, des Fußes, der übrigen Körperteile, in ihrer Färbung wie auch in ihrer Biologie eine große Mannigfaltigkeit zeigen.” Diese und ähnliche Äußerungen hören und lesen wir immer wieder. Sie lassen den Eindruck entstehen als gehört die Evolution der Vergangenheit an. Evolution findet jedoch auch heute noch statt und wird auch weiterhin, solange die Natur besteht, stattfinden. Evolution bedeutet Veränderung (Anpassung) von Lebewesen über Generationen hinweg. Unterschiedliche ökologische Bedingungen und zufällige Veränderungen der Häufigkeit einzelner Gene im Erbgut wobei der Selektionsvorteil keine Rolle spielt sind Auslöser zur Evolution. Die zufällige Verschiebung im Genpool wirkt um so mehr, je kleiner die Population ist.
Das älteste und bekannteste Beispiel der Evolution in der Vogelkunde haben wir anhand des als Vorfahre der Vögel geltenden Archaeopteryx. Evolution nahm seinen Lauf und die Aufspaltung in verschiedene Vogelarten, adaptive Radiation, führte zu einer großen Vielfalt an Eigenschaften der Vögel. Wie Charles Darwin der Welt anhand der Darwinfinken offenbarte, beeinflusst Nahrung und Lebensraum die Evolution der Schnäbel. In der heutigen Zeit stattfindende Evolution bestätigen unter anderem europäische Kohlmeisen- und Mönchsgrasmückengruppen, die ihr Zug- und Brutverhalten den veränderten Umweltbedingungen anpassen und offensichtlich vererben und ihre weniger anpassungsfähigen Artgenossen verdrängen.
Mit einer von mir getätigten Beobachtung bezüglich eines Maskenbülbül (African Red-eyed Bulbul / Pycnonotus nigricans) mit einer Schnabeldeformation (siehe linkes Bild) am 29. Juni 2012 bei der Gondwana Canyon Lodge möchte ich nicht den Beginn oder Ablauf einer Evolution heraufbeschwören aber eine solche wäre auch nicht auszuschließen.
Diese Maskenbülbül, von der Größe etwa wie eine Amsel, gelten als Frucht-, Nektar- und Insektenfresser. Es ist bekannt, dass einige andere Insekten fressende Vogelarten längere, dünnere und nach unten gekrümmte Schnäbel vorweisen mit denen sich Insekten auch aus Baumritzen herauspicken lassen. Nektar fressende Vogelarten besitzen ebenfalls einen längeren, dünneren und nach unten gebogenen Schnabel mit dem sie unkompliziert Nektar aus Blüten fressen lässt.
Spannt man den Bogen etwas weiter, dann erscheint die Vorstellung einer beginnenden Evolution in Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen aus der Nektar-, Insekten- und Fruchtfressenden Maskenbülbülstammform (siehe rechtes Bild) gar nicht mehr so irrational.
Als befürwortende und begünstigende Faktoren einer Schnabelevolutionstheorie beim südlichen Maskenweber sind/wären im ariden Süden Namibias vor allem Nahrungskonkurrenz und Klimawandel. Solch eine Veränderung der Schnabelform kann/könnte folgendermaßen entstanden sein/entstehen:
Aus zunächst im Überfluss vorhandener Nahrung (Köcherbaumblüten oder ähnliches) und Brutplätzen vor einigen Jahrhunderten, gab es keine intraspezifische Konkurrenz und führte zu einer hohen Vermehrungsrate. Die wiederum ermöglichte eine große genetische Vielfalt (Mutation und Rekombination). Diese Vermehrung führt zu einer erhöhten Konkurrenz um Raum und Nahrung (intraspezifische Konkurrenz) und der nun folgende Selektionsdruck führt zu einer Spezialisierung beim Nahrungserwerb (siehe Bild links oben) um Konkurrenz zu vermeiden.
Die Zeit wird zeigen ob diese Schnabeldeformation nur ein “Schabernack” der Natur ist, was mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, oder ob vielleicht tatsächlich eine Schnabelevolution beim Maskenbülbül begonnen hat. Dies kann nur anhand genauerer Beobachtungen der im Gondwana Canyon Park oder in ähnlichem Habitat lebenden Maskenbülbül über einen längeren Zeitraum festgestellt werden.
Tatsache bleibt jedoch, dass mit dem stattfindenden Klimawandel, die Tiere sich anpassen müssen, einige mehr, andere weniger, wenn sie als Art überleben wollen.

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