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EINE LODGE BETREIBERIN BIETET IN ZIMBABWE SPEKTAKULAERE MOEGLICHKEITEN ZUR VOGELFOTOGRAFIE
Die mit dem Adler spricht
VON STEFAN RUST
2012
(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)
Beinahe geräuschlos pirscht sich die von mir geführte Reisegruppe an den Beobachtungsposten am Schluchtrand. Haussegler spielen mit den Aufwinden der Schlucht. Seit Jahren leite ich diese Tour und bin wie meine Gäste immer wieder gespannt auf das was uns hier geboten wird. Außer den Vogelgeräuschen herrscht Stille. Wir sind die einzigen Menschen an diesem Septembermorgen an der Batokaschlucht, eine der tiefsten Schluchten des majestätischen Sambesi Flusses. Hier befindet sich die idyllisch gelegene Gorges Lodge mit atemberaubender Aussicht in diese 250 m tiefe Schlucht, die der Sambesi in Jahrmillionen ausgespült hat.
Plötzlich durchbricht ein lauter Ruf die Stille: “Na, komm!”, hallt es. Als nichts passiert nach wenigen Sekunden nochmal, fast beleidigt und eher noch lauter: “Na, komm schon”, gefolgt von einem sehr schrillen Pfiff, dessen Echo von den Schluchtwänden gedämpft zurückschallt. Debbie geht ihrer Leidenschaft nach: Sie ist die Betreiberin der Gorges Lodge. Diese engagierte Frau ist als “Adlerpatin” mittlerweile einer der heißesten Geheimtipps für Naturfotografen aus dem südlichen Afrika, die es auf spektakuläre Bilder von Greifvögeln abgesehen haben, ohne die oft seltenen Tiere stören zu wollen.
Und zu genau diesem Zweck ruft sie an diesem Nachmittag über die Schlucht und legt ansehnlich zugeschnittene Wildfleischstückchen auf eine aus Holz angefertigte Fütterungsplattform. “Na, komm”, fordert Debbie erneut, diesmal leiser. Und wie es in die Schlucht ruft, so kommt es zurück: Nach wenigen Sekunden löst sich die Silhouette eines Vogels von den Felswänden. Sehr breitflügelig und kraftvoll durch die Luft rudernd. Die Entfernung ist noch groß, und deshalb ist klar, der trotzdem deutlich sichtbare Vogel muss es sein. “Er kommt”, freut sich die Lodge Betreiberin.
“Er”, das ist ein ausgewachsener männlicher Felsenadler, im besten Alter, wie die schwarze Gefiederfärbung zeigt. Er nimmt direkt Kurs auf die Futterstelle. Seine imposante Gestalt wird immer deutlicher: Nah, immer näher, sehr nah, man sieht den mächtigen Adler längst ohne Fernglas. Der Adler fliegt knapp an unserem Beobachtungsposten vorbei, schon gleitend, nicht mehr flügelschlagend. Dann fährt er die schwarz befiederten Beine mit den mächtigen gelben Krallen aus und landet elegant auf der Futterstelle. Nun widmet sich der Vogel geruhsam dem Verzehr.
Spektakuläre Bilder aus kurzer Entfernung sind schnell im Kasten, denn meistens folgt der Adler der Aufforderung. Meistens kommt das Männchen, das Debbie liebevoll „Big Boy“ getauft hat. Doch manchmal lässt sich „Big Boy“ auch gar nicht blicken, denn weder er, noch seine Partnerin, die gelegentlich Fleisch vom gedeckten Tisch aus dem Flug greift, sind zahme Vögel. Überraschungen und Launen sind deshalb immer möglich.
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