Tuesday 16 May 2017

204 | SCHNURRBÄRTCHEN - KLEINSTER WEBER MIT GROSSER TOTEM-BEDEUTUNG

204

Art. # 204
KLEINSTER WEBER MIT GROSSER TOTEM-BEDEUTUNG

Schnurrbärtchen

Text von Stefan Rust
Foto von Birgit Leicher
2014

(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)

                                                  Schnurrbärtchen Sporopipes squamifrons

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Steckbrief

Namen: Sporopipes squamifrons (Lateinisch) / Scaly-feathered Finch (Englisch) / Baardmannetjie (Afrikaans)

Familie: Webervögel - Ploceidae

Verbreitung: Südliche Afrika

Lebensraum: Steppen, Dornbuschsteppen, Kulturland

Größe: 10 cm

Gefieder: Weißgrau gefärbt mit einigen schuppig wirkenden Federn, durch weiße          
                 Federsäume

Stimme: Schrilles zwitschern

Nest: Kugelnest aus trockenem Gras und Ästen von duftenden Sträuchern

Brutzeit: August - Juni

Nahrung: Samen, Insekten

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Duftnote hält Parasiten vom Leib

Das Schnurrbärtchen Sporopipes squamifrons, der kleinste aller Webervögel des südlichen Afrika, baut ein einfaches kugelförmiges Nest aus trockenen Grashalmen und Rispen mit seitlichem Eingang. Diese Konstruktion ähnelt den Nestern der Prachtfinken (Estrildidae). In den Nestbau werden oft grüne Zweige von aromatischen Sträuchern und zur Abrundung sogar Blumen eingefügt. Diese eingebauten „Duftnoten“ dienen möglicherweise zur Abwehr von Ektoparasiten.


Spuren im Sand

Aber dieser Webervogelwinzling hält noch einen weiteren Joker im Flügel, er kann lange Zeit ohne Wasser überdauern. Schon lange haben Forscher gerätselt was dieses Schnurrbärtchen auch in so gut wie wasserlosen Gegenden überleben lässt. Bei den meisten von Wasser unabhängigen Vögeln handelt es sich um von Insekten ernährende Arten, aber nicht um trockene Saat fressende Vögel. Insektenfresser beziehen die benötigte Feuchtigkeit aus der Beute. Immer wieder rief es Erstaunen hervor wenn einem dieser kleine Saatfresser im monatelangen, häufig sogar jahrelangen, wasserlosen Sossusvlei begegnete. Das Sossusvlei ist das Kernstück des Namib Sandmeers in der Namib Wüste, welches im Juni 2012 UNESCO Weltnaturerbestatus erhalten hat. Diesem Rätsel kamen Forscher mit näherer Untersuchung auf die Schliche, er kann nämlich sein lebensnotwendiges Wasser über die Verdauung trockener Samen gewinnen. Aber um die Saat kommt das Schnurrbärtchen nicht herum, diese muss es als Nahrung finden. Da im Sossusvlei und Umgebung fast ständig heftige Winde vorhanden sind welche die wenige vorhandene Saat ständig mit Staub und feinen Sandkörnern zuschütten wäre in Anbetracht dessen im ersten Gedankengang auch hier kein Überleben des Schnurrbärtchens möglich. Aber selbst durch diese ständig anwesende Naturgewalt lässt sich dieser pfiffige Überlebenskünstler nicht einschüchtern oder gar verdrängen. Seit Urzeiten betrachtet er Spuren im Sand hinterlassende Tiere, seit neuester Zeit kam ein zweibeiniges, nämlich der Mensch, dazu, als Hilfsmittel an diese im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verwehte Samen zu gelangen. Dank der Tier- und Menschspuren werden die im Sand verborgenen Samen freigelegt und sind für ihn frei zugängig. Anhand dieses Beispiels werden uns wieder einmal die wichtigen Wechselwirkungen und Zusammenhänge der Natur vor Augen geführt.


Klein aber Oho

Als wären diese Überlebensstrategien noch nicht faszinierend genug, hat das Schnurrbärtchen des Weiteren auch in Bezug auf den Menschen etwas Ungewöhnliches in petto. In der Vergangenheit besaß es sehr viel Macht. Das Schnurrbärtchen war so mächtig, dass es das Leben eines gesamten Stammes bestimmte. Nämlich das der Bakone Gesellschaft.
Während des 14. Jahrhunderts wanderten die Botsuaner aus Ostafrika ins südliche Afrika und trafen hier als Jäger, Hirten und Ackerbauer auf einen geeigneten Lebensraum. Wildtiere in Fülle, eine dichte Grasnarbe für das mitgeführte Vieh, keine ernsthaften Viehkrankheiten und ein fruchtbarer Boden für den Ackerbau. Sie pflanzten Sorghumhirse, Bohnen, Kürbisse, Gemüsemelonen und Flaschenkürbisse an und begegneten hier dem von den Portugiesen eingeführten Mais.
Die Geschichte der Botsuaner Gesellschaft ist geprägt von Zwietracht und Streit und resultierte in Spaltungen des Stammes. Häufig wurden diese Splittergruppen nach dem jeweiligen Führer benannt. Man unterscheidet im südlichen Afrika heute 59 solcher Botsuanergruppen, wovon etwa ein Viertel im nach ihnen benannten Botswana leben.
Nicht selten änderten solche Splittergruppen nach der Trennung von der „Elterngruppe“ auch ihr Totem. Dies führte dazu dass die Splittergruppe Bakone zu dieser Zeit das tlhantlhagane, Schnurrbärtchen, als Totem-Tier wählte. Für das Schnurrbärtchentotem mussten die Bakone bestimmte Tabus und Regeln respektieren und die Missachtung dieser wurde als schweres Vergehen bestraft, häufig mit dem Tod oder dem Ausschluss aus der Gesellschaft. Das Schnurrbärtchen genoss den Schutz als Totem-Tier und durfte weder getötet noch verletzt oder gegessen werden. In Ausnahmesituationen jedoch, beispielsweise in Zeiten großer Not, durfte das Totem-Tier nur von Personen genutzt werden, die diesem Totem angehörten.

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