Tuesday 16 May 2017

287 | ALLGEMEINE ZEITUNG ARTIKEL - FELSENTAUBE

287


Art. # 287
DIE TAUBE IN DER MENSCHHEITSGESCHICHTE

Felsentaube

Text und Foto von Stefan Rust
2014

(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)

                                                                           Felsentaube Columba livia

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Steckbrief

Namen: Columba livia (Lateinisch) / Rock Dove (Englisch) / Tuinduif (Afrikaans)

Familie: Tauben - Columbidae

Verbreitung: Süd-Eurasien, Nord Afrika; weltweit eingebürgert und domestiziert

Lebensraum: Felsiges Gelände, Städte

Größe: 30-35 cm

Gefieder: Einfach in Grautönen gefärbt

Stimme: Große Vielfalt an weichen Rufen und gurrenden Lauten

Nest: Einfache Zweignester auf Baumästen, in Höhlen oder auf dem Boden

Brutzeit: Ganzjährig

Nahrung: Sämereien. Nestlinge leben von Kropfmilch

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Seit jenem Tage in grauer Vorzeit, an dem die Geschichte erzählt, dass Noah eine seiner Tauben aussandte, damit sie melde, wie es mit dem Wasserstand sei, scheint die Taube immer vom Menschen geehrt worden zu sein. Sie durfte in Tempeln nisten und in manchen Ländern bestand ein Verbot Tauben zu töten. In der hebräischen Poesie ist ihr Name ein Kosewort für die Braut und im Christentum des Mittelalters war es der Ehrenname für Maria. Aufgrund der Sanftmütigkeit der Taube, glaubten einige Menschen, sie besäße keine Galle.
Tauben spielten auch in Inspiration und Omen eine wichtige Rolle. Die Taube wurde mit Aphrodite, der Göttin der Schönheit, assoziiert.
Die Abbildung einer fliegenden und im Schnabel einen Olivenzweig tragenden weiße Taube, ist das traditionelle und weithin bekannte Symbol des Friedens und guten Willens. Dieses Symbol findet sich auch in dem Logo der Vereinten Nationen.

Die Domestizierung der Felsentaube (Columba livia), der Stammform der heutigen weltweit verbreiteten Straßentauben, geht auf das Ägypten 4500 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück. Ursprünglich wurde die Taube wegen ihres schmackhaften Fleisches gezüchtet.
Auch die bantusprachigen Mbukushu in Namibia waren schon zu Urzeiten auf den Taubengeschmack gekommen und nutzten zum Fang von Tauben eine mit multiplen Schlingen versehene Falle (thikonga oder kayava). Es wurde ein elastischer Zweig zu einem Kreis gebogen und dann kreuzweise mit Sisalschnüren bespannt. Mit den offenen Quadranten wurden feine, aus Gnuhaaren gefertigte Schlingen mit einem gleitenden Knoten verbunden. Dieser Apparat wurde waagerecht über ausgestreute Körner gelegt. Versuchte eine Taube die Körner aufzupicken, zog sie selbst die Schlinge um ihren Hals oder Fuß zu.

Weltweit fanden weitere Taubenzüchtungen statt, um ihnen bestimmte Formen, Farben, Federstrukturen oder Funktionen aufzuzwingen.
In China haben Konzerte mit Pfeifentauben eine lange Tradition. Die Asiaten praktizieren sie schon seit etwa 3000 Jahren. Bei diesen Konzerten der besonderen Art, kreisen weiße Tauben in der Luft derweil sie für die Dauer des Konzertes kleine Flöten auf ihren Rücken tragen, meistens an den mittleren Schwanzfedern befestigt, über deren Öffnungen der Wind im Rhythmus der Flügelschläge streicht und Melodien erklingen lässt.
Je nach Größe, Form und Material erzeugen die Pfeifen unterschiedliche Töne. Kleinere Instrumente erzeugen hellere, größere dunklere Töne. Die Auswahl der Flöten ist also über Harmonie und Klang beim Konzert ausschlaggebend.
Die Grundkörper der Pfeifen können aus Balsaholz, Schilf- und Bambusrohr, Walnuss- und Mandarinenschalen, aus Plastik oder sogar aus kleinen Weihnachtskugeln bestehen.
Gewichtstechnisch betrachtet, ist das Tragen der Flöten mit einem Gewicht zwischen zwei und zehn Gramm, für die Taube kein Problem. Eine Brieftaube zum Beispiel, darf bis zu 45 Gramm transportieren.
Der Ursprung der Pfeifentaubentradition liegt darin, dass Mönche Taubenpfeifen an Brieftauben befestigten, um mittels des durch einfliegenden Botschaftertauben verursachten Geräuschs über das Eintreffen von Botschaften informiert zu sein. Gleichzeitig wurde der Verlust der wertvollen fliegenden Botschafter durch Greifvögel reduziert, weil diese von den Tönen der Taubenpfeifen irritiert waren.

Ihren Ausgang als Brief- und Sporttaube hat sie den Römern zu verdanken. Sie nutzten den stark geprägten ortstreue Charakter der Taube, siedelten sie in Türmen und Schlägen an, und machten sich die bemerkenswerte Fähigkeit der Taube, über Tausende von Kilometern in ihren Schlag zurückzufinden zunutze, indem sie ihnen am Körper befestigte Mitteilungen mitschickten. Dieser scharf geprägte Orientierungssinn der Taube ist erstaunlich, und das obwohl die Felsentaube (die Stammform) kaum zieht.
Die Römer meldeten Caesars Eroberungen mit Brieftauben nach Rom, und die erste Nachricht über Napoleons Niederlage bei Waterloo erreichte England per Brieftaube.
Das Wort Sieg und das Gegenteil, hat immer eine wichtige Rolle gespielt in der Kommunikationsfunktion der Taube, zum Beispiel in der Sport Arena. Während der Olympischen Spiele der Antike wurde eine Luftflotte bestehend aus Brieftauben zusammengestellt um die Namen der Gewinner selbst zu den entlegensten Teilen des Landes zu tragen.
Taubenrennen als Sport findet heute noch statt. Als das bedeutendste Taubenrennen weltweit gilt das „Sun City Million Dollar Pigeon Race“ in Südafrika. Im Jahr 2012 wurde dieses Rennen von dem Taubenweibchen „Rubellos“ aus dem Ruhrgebiet stammend gewonnen. Auf einer Gesamtstrecke von 580 Kilometern konkurrierte sie gegen fast 3 500 Mitstreitertauben. Sie flog diese Distanz in 8 Stunden, 56 Minuten und 16 Sekunden. Der Besitzer Hans-Werner Schink kassierte für den Sieg 150 000 Euro Preisgeld.

Mitte des 12. Jahrhunderts lieferten Tauben einen regelmäßigen Nachrichtendienst zwischen Bagdad und großen Städten Syriens. Der Sultan gab den Bau von Taubenschlägen in seinem Koenigreich in Auftrag und bestückte sie mit Tauben welche er zur täglichen Nachrichtenverbreitung nutzte.
Die Nachricht der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde von Nathan Rothschilds schnellen Fliegern überbracht. Nathan Rothschild hat einen Teil seines Erfolges im Bankwesen den schnellen Tauben als Informationsträger an der Londoner Börse zu verdanken.
Militärtauben wurden bis zur Zeit des koreanischen Krieges als Mittel der Kommunikation benutzt. Sie wurden als Truppenkommunikation und zur Kommunikation belagerter Städte mit der Außenwelt genutzt. Sehr bekannte Beispiele sind die „geflügelten Botschafter“ die während der Belagerung von Haarlem und Leiden im 16. Jahrhundert eingesetzt wurden. Während der Belagerung von Paris in 1870 waren auch hunderte Tauben im Einsatz. Der Einsatz von Tauben war von solch einer Wichtigkeit, dass die Taubenschläge der Taubenbesitzer, welche die Opposition unterstützten, regelrecht bewacht wurden.
Auch im Ersten Weltkrieg wurden sehr viele Brieftauben sehr häufig für militärische Zwecke eingesetzt. Die Deutschen hatten nicht weniger als 1 Million belgische Tauben im Einsatz. Sie wurden nicht nur mit Botschaften auf den Weg geschickt, sondern wurden auch mit einfallsreich gebauten Kameras ausgestattet mit denen Aufklärungsfotos der feindlichen Positionen aus der Luft gemacht werden konnten. In Brüssel wurde zum Dank der Bemühungen der Taubenzüchter und deren Vögel ein Denkmal errichtet und bei Lille in Frankreich steht ein Denkmal für die etwa 20 000 Tauben die im Krieg starben.
Im 2. Weltkrieg begleiteten Brieftauben Feldpatrouillen, Marineflotten und Unterseebote. Sogar Fallschirmspringer nahmen ausgestattete Tauben mit um sie dann je nach Bedarf aus Bombenfliegern abfliegen zu lassen. Dies geschah mit Hilfe einer einfachen Papiertüte mit einem vorgesehenen Loch. Die für die Taube benötigte Zeit, sich aus der Tüte zu befreien reichte zur Verhütung, Opfer des vom fliegenden Flugzeug verursachten Sogs, zu werden. Manche Mitglieder dieser fliegenden Brigade kehrten mit einem zerschossenen Bein oder einem schwer verletzten Flügel aber mit noch intakten wertvollem Mikrofilm oder Geheimbotschaften zu ihren mobilen Stationen zurück. Ein Beispiel hierfür ist Mary, eine englische Taube die während ihrer 5 jährigen Dienstzeit 22-mal verletzt wurde. Für ihre tapferen Leistungen wurde sie mit der Dickin Medaille ausgezeichnet.
Deutsche Truppen hatten in der in Berlin stationierten SS Tauben Dienststelle etwa 50 000 Brieftauben im Dienst und etwa 600-800 für sie verantwortliche Personen.
Als am 29. November 1942 ein mit Passagieren und wertvollem Kriegsgerät beladener Passagierdampfer, die „Dunedin Star“, Kurs von Liverpool in Richtung Kapstadt, etwa 16 km vor der Küste des damaligen Südwestafrikas (heute Namibia) auf Felsen aufläuft geraten die mehr als 100 Menschen an Bord in eine lebensbedrohliche Situation. Wegen gefährlicher Riffe um den Unfallort und der Abgeschiedenheit dieser als Skelettküste bekannten Gegend ist eine Rettung sehr schwierig. Ein Rettungsschiff hat als Ersatz für die nicht vorhandene weit reichende Funkausrüstung Brieftauben an Bord. Diese mit Nachrichten ausgestattetenTauben legen eine Distanz von 600 km über ihnen unbekanntes Gelände mit nur ein oder zwei Wasserlöchern per Flug zurück. Etwa die Hälfte der vom Unfallort abgeflogenen Brieftauben traf nach 10 Stunden im nächstliegenden Hafen Walvis Bay ein und überbrachte wichtige Mitteilungen zur weiteren Planung der Rettungsaktionen.

Ein in Kiel, Deutschland, lebender Rentner ist seit Jahren jeden Sommer damit beschäftigt, Wochenende Brautleute mit seinen weißen Hochzeitstauben zu beglücken. Diese weißen Tauben kutschiert er von einem Termin zum anderen und lässt sie dann im Verlauf des Hochzeitzeremoniells in den Himmel steigen, währenddessen er ein rührendes Taubengedicht aufsagt. Dieses Zeremoniell lässt die Herzen der frisch Vermählten höher schlagen und sie erhoffen sich eine glückliche Ehe, weil wie bekannt, symbolisiert die fliegende weiße Taube Frieden und guten Willen.

Die Zerstörung der Lebensräume ist der Hauptgrund für den Rückgang vieler Vogelarten. Manchmal stellt auch die direkte Verfolgung durch Jäger oder Eiersammler eine starke Bedrohung dar.
Ein typisches Beispiel der Fähigkeit des Menschen zum rücksichtslosen Abschlachten und Ausrotten einer Tierart ist die Geschichte der Wandertaube Ectopistes migratorius. Einst galt sie als der häufigste Vogel der Erde und Millionen große Schwärme zogen über Nordamerika. Es gab so viele, dass z.B. im Jahr 1878 ein einziger Händler allein 3 Millionen Vögel für die Kochtöpfe verkaufte. Dies und ähnliche Beispiele ließen die Art innerhalb von 35 Jahren bis auf ein einziges Exemplar aussterben. Diese letzte Wandertaube trug den Namen Martha und starb 1914 im Zoo von Cincinnati einen einsamen Tod.

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