204
Art. # 204
KLEINSTER WEBER MIT GROSSER TOTEM-BEDEUTUNG
Schnurrbärtchen
Text von Stefan
Rust
Foto von Birgit
Leicher
2014
(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to
Stefan Rust)
Schnurrbärtchen
Sporopipes squamifrons
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Steckbrief
Namen: Sporopipes squamifrons (Lateinisch) / Scaly-feathered Finch
(Englisch) / Baardmannetjie (Afrikaans)
Familie: Webervögel - Ploceidae
Verbreitung: Südliche Afrika
Lebensraum: Steppen, Dornbuschsteppen, Kulturland
Größe: 10 cm
Gefieder: Weißgrau gefärbt mit einigen schuppig
wirkenden Federn, durch weiße
Federsäume
Stimme: Schrilles zwitschern
Nest: Kugelnest aus trockenem Gras und Ästen
von duftenden Sträuchern
Brutzeit: August - Juni
Nahrung: Samen, Insekten
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Duftnote
hält Parasiten vom Leib
Das
Schnurrbärtchen Sporopipes squamifrons, der kleinste aller Webervögel des südlichen
Afrika, baut ein einfaches kugelförmiges Nest aus trockenen Grashalmen und Rispen
mit seitlichem Eingang. Diese Konstruktion ähnelt den Nestern der Prachtfinken
(Estrildidae). In den
Nestbau werden oft grüne Zweige von aromatischen Sträuchern und zur Abrundung
sogar Blumen eingefügt. Diese eingebauten „Duftnoten“ dienen möglicherweise zur
Abwehr von Ektoparasiten.
Spuren im
Sand
Aber dieser
Webervogelwinzling hält noch einen weiteren Joker im Flügel, er kann lange Zeit
ohne Wasser überdauern. Schon lange haben Forscher gerätselt was dieses
Schnurrbärtchen auch in so gut wie wasserlosen Gegenden überleben lässt. Bei
den meisten von Wasser unabhängigen Vögeln handelt es sich um von Insekten
ernährende Arten, aber nicht um trockene Saat fressende Vögel. Insektenfresser
beziehen die benötigte Feuchtigkeit aus der Beute. Immer wieder rief es
Erstaunen hervor wenn einem dieser kleine Saatfresser im monatelangen, häufig
sogar jahrelangen, wasserlosen Sossusvlei begegnete. Das Sossusvlei ist das
Kernstück des Namib Sandmeers in der Namib Wüste, welches im Juni 2012 UNESCO
Weltnaturerbestatus erhalten hat. Diesem Rätsel kamen Forscher mit näherer
Untersuchung auf die Schliche, er kann nämlich sein lebensnotwendiges Wasser
über die Verdauung trockener Samen gewinnen. Aber um die Saat kommt das
Schnurrbärtchen nicht herum, diese muss es als Nahrung finden. Da im Sossusvlei
und Umgebung fast ständig heftige Winde vorhanden sind welche die wenige
vorhandene Saat ständig mit Staub und feinen Sandkörnern zuschütten wäre in
Anbetracht dessen im ersten Gedankengang auch hier kein Überleben des Schnurrbärtchens
möglich. Aber selbst durch diese ständig anwesende Naturgewalt lässt sich
dieser pfiffige Überlebenskünstler nicht einschüchtern oder gar verdrängen.
Seit Urzeiten betrachtet er Spuren im Sand hinterlassende Tiere, seit neuester
Zeit kam ein zweibeiniges, nämlich der Mensch, dazu, als Hilfsmittel an diese
im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verwehte Samen zu gelangen. Dank der
Tier- und Menschspuren werden die im Sand verborgenen Samen freigelegt und sind
für ihn frei zugängig. Anhand dieses Beispiels werden uns wieder einmal die
wichtigen Wechselwirkungen und Zusammenhänge der Natur vor Augen geführt.
Klein aber
Oho
Als wären diese
Überlebensstrategien noch nicht faszinierend genug, hat das Schnurrbärtchen des
Weiteren auch in Bezug auf den Menschen etwas Ungewöhnliches in petto. In der
Vergangenheit besaß es sehr viel Macht. Das Schnurrbärtchen war so mächtig,
dass es das Leben eines gesamten Stammes bestimmte. Nämlich das der Bakone
Gesellschaft.
Während des 14.
Jahrhunderts wanderten die Botsuaner aus Ostafrika ins südliche Afrika und
trafen hier als Jäger, Hirten und Ackerbauer auf einen geeigneten Lebensraum.
Wildtiere in Fülle, eine dichte Grasnarbe für das mitgeführte Vieh, keine
ernsthaften Viehkrankheiten und ein fruchtbarer Boden für den Ackerbau. Sie
pflanzten Sorghumhirse, Bohnen, Kürbisse, Gemüsemelonen und Flaschenkürbisse an
und begegneten hier dem von den Portugiesen eingeführten Mais.
Die Geschichte
der Botsuaner Gesellschaft ist geprägt von Zwietracht und Streit und resultierte
in Spaltungen des Stammes. Häufig wurden diese Splittergruppen nach dem
jeweiligen Führer benannt. Man unterscheidet im südlichen Afrika heute 59
solcher Botsuanergruppen, wovon etwa ein Viertel im nach ihnen benannten
Botswana leben.
Nicht selten änderten
solche Splittergruppen nach der Trennung von der „Elterngruppe“ auch ihr Totem.
Dies führte dazu dass die Splittergruppe Bakone zu dieser Zeit das tlhantlhagane, Schnurrbärtchen,
als Totem-Tier wählte. Für das Schnurrbärtchentotem mussten die Bakone bestimmte
Tabus und Regeln respektieren und die Missachtung dieser wurde als schweres
Vergehen bestraft, häufig mit dem Tod oder dem Ausschluss aus der Gesellschaft.
Das Schnurrbärtchen genoss den Schutz als Totem-Tier und durfte weder getötet
noch verletzt oder gegessen werden. In Ausnahmesituationen jedoch,
beispielsweise in Zeiten großer Not, durfte das Totem-Tier nur von Personen
genutzt werden, die diesem Totem angehörten.
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