Sunday 13 January 2013

047 | HALBMONDTAUBE EROBERT NAMIBIA

47
Halbmondtaube erobert Namibia 

von STEFAN RUST 

Ein typisches Beispiel einer Gebietseroberung in unserer Zeit ist die Ausbreitung der Halbmondtaube (Red-eyed Dove / Streptopelia semitorquata). Kaum eine Einwanderungswelle ist derart stürmisch verlaufen wie bei dieser noch im Jahre 1936 nur im nördlichen Botswana, Caprivi Streifen, in Zimbabwe, Mosambik und in der östlichen Hälfte Südafrikas mit seinem südlichen Küstenstreifen beheimateten Taubenart. Schon E. Leonard Gill äußerte in seinem im Jahre 1936 erschienenen Buch “A first guide to southern Africa” die Vermutung einer westlichen Ausbreitung dieser Art. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sie von dort aus fast ganz Südafrika, den tiefen Süden und den hohen Norden Namibias überrollt. 
Während einer Rundreise durch den Süden Namibias über unter anderem Lüderitzbucht und Oranjemund, entdeckte ich in beiden Küstenstädten jeweils einige Halbmondtauben. Für Aufregung sorgten die in der Zeit vom 23. Bis 26. Juni 2012 von mir in Lüderitzbucht beobachteten Halbmondtauben. In keinem der bis zu diesem Zeitpunkt erschienen Vogelbüchern des südlichen Afrikas ist Lüderitzbucht als Verbreitungsgebiet der Halbmondtaube verzeichnet. Diese Beobachtung bestätigt dass diese Art inzwischen bis Lüderitzbucht (Namibia) vorgestoßen ist. Ich habe versucht, eine plausible Erklärung für diese explosive Expansion zu finden. Ich habe die Ausbreitung der Halbmondtaube in den vergangenen 76 Jahren (1936 – 2012) anhand alter Bücher, alter Verbreitungskarten und mittels meteorologischer Aufzeichnungen im Zeitraum von 1910 bis 2012 untersucht. Ich kam zu dem Ergebnis, dass die schnelle Ausbreitung paradoxerweise den vielen Dürreperioden zu verdanken ist und dass der Zufall in Form strategisch günstig gelegener Flüsse (Feuchtgebiete), menschlicher Ortschaften und landwirtschaftlicher Aktivitäten kräftig mitgespielt haben. 
Ursprünglich siedelten sich Halbmondtauben im südlichen Afrika entlang Wasser führender Flüsse (Sambesi) und Feuchtgebiete (Okavango Delta und Südküste Südafrikas) an (siehe Verbreitungskarte A&B). Im Zeitraum von 1940 bis 1970 ist ein deutlicher Verlust des Verbreitungsgebietes zu erkennen (vergleiche Verbreitungskarte A&B). Diesen Verbreitungszeitraum verglichen mit meteorologischen Aufzeichnungen im Zeitraum 1910 bis 1970 des südlichen Afrika und Umgebung, in dem es von 60 Jahren nur 15 Dürrejahre gab, ergeben eine interessante Schlussfolgerung. Man müsste meinen, dass bei so vielen überwiegend besseren Regenjahren eine Ausbreitung hätte stattfinden müssen, ist aber das Gegenteil passiert. Beim weiteren Vergleich (siehe restlichen Verbreitungskarten) der meteorologischen Aufzeichnungen mit Ausbreitung, ergibt sich folgender Schnitt: 

- In einem Zeitraum von etwa 30 Jahren bei denen etwa nur ein Drittel Dürrejahre sind, findet ein drastischer Rückgang der Verbreitung statt (siehe Verbreitungskarte A&B). Bei Verbreitungskarte A ist der Rückgang jedoch nur eine Spekulation meinerseits weil es keine verlässlichen vorzeitigen Aufzeichnungen gibt.
- In einem Zeitraum von etwa 7 bis 9 Jahren bei denen etwa die Hälfte Dürrejahre sind, findet eine minimale Ausbreitung statt (siehe Verbreitungskarte D&F). - In einem Zeitraum von etwa 12 bis 14 Jahren bei denen etwa zwei Drittel Dürrejahre sind, findet eine gewaltige Ausbreitung statt (siehe Verbreitungskarte C&E). 

Vorposten siedeln sich während Dürreperioden gelegentlich bis zu 300 Kilometer entfernt voneinander an; erst später im Verlauf von besseren Regenperioden wird diese Zeit genutzt um Siedlungslücken so weit wie möglich zu schließen und die Population in den Gebietseroberungen zu kräftigen. Innerhalb 12 Jahren wovon 10 Jahre Dürrejahre waren schoben sie ihr neu hinzugewonnenes Brutgebiet kontinuierlich vom östlichen und südlichen Südafrika aus über das restliche Südafrika nach Namibia hinein. Sogar die trockene und große Karoowüste bremste das nordwestliche Wandertempo nicht, weil geschickt nutzt die Halbmondtaube in solchen ariden Gebieten die mittlerweile dort häufig verbreiteten Siedlungen und die Landwirtschaft als Sprungbrett während die Ausbreitung in westliche Richtung entlang des Oranjeflusses verlief (siehe Verbreitungskarte E). Die Ausbreitungswelle vom nördlichen Namibia und Botswana in südliche Richtung wurde seit etwa 1984 gestoppt. Die Kalahari Halbwüste und die trockene Namibwüste scheinen natürliche Barrieren zu sein. Es bleibt jedoch nicht auszuschließen dass die Ausbreitung in südliche Richtung gar nie stattfand sondern dass die kontinuierliche Ausbreitung vom Süden in nordwestliche Richtung einem genetischen Grund unterliegt bei dem sich Halbmondtauben vorzugsweise im Nordwesten ihres Geburtsortes ansiedeln. Das würde die stagnierende südliche Ausbreitungsbewegung und die scheinbare Vorzugsrichtung in den Norden, Westen und Nordwesten erklären. 

Das Verhalten der Gebietseroberung während Dürreperioden könnte folgende Gründe haben: Futterknappheit, großflächigere Futtersuche, Nahrungskonkurrenz durch ähnliche Arten, Populationsrückgang konkurrierender Arten im potentiellen Ausbreitungsgebiet, Abwanderung der Feinde (Greifvögel) in regenreichere Gebiete und Wasserangebot in menschlichen Siedlungen.
In Regenperioden findet keine Ausbreitung statt weil der Druck oder der Anzug der während herrschender Dürreperioden gegebenen Faktoren nicht vorhanden sind. Ein Brutgebietrückgang zu Zeiten von überdurchschnittlich hohen Regenperioden ließe sich mittels erhöhter Konkurrenzpopulationen und erhöhter Gegenwart ihrer Feinde erklären. 

Es bleibt spannend wann die wanderfreudige Halbmondtaube ein “gewöhnlicher” Brutvogel im gesamten südlichen Afrika ist. Anhand der bisherigen Ausbreitungstendenz zu urteilen, kann die völlige Besiedlung innerhalb der nächsten 30 Jahre absolviert sein, vorausgesetzt es sind etwa zwei Drittel Dürrejahre mit im Spiel. 

Sollten auch Sie an der Ausbreitung dieser Tierart interessiert sein, so melden Sie mir bitte Ihre Beobachtungen und werden damit zu einem “Citizen Scientist” (Buergerwissenschaftler). 

Stefan Rust
birdscontour@iway.na +264 (0)81 129 8415

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