Friday 29 November 2013

165 | FREUND UND HELFER DES FARMERS - SIEDELWEBER

165



FREUND UND HELFER DES FARMERS

Siedelweber

Fotos und Text von Stefan Rust
2013

(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)

                                                                                    Philetairus socius

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Steckbrief

Namen: Philetairus socius (Lateinisch) / Sociable Weaver (Englisch) / Versamelvoel (Afrikaans)

Familie: Webervögel

Verbreitung: West- und Zentral-Südafrika

Lebensraum: Trockene Akaziensavannen

Größe: 14 cm

Gefieder: Dieser sperlingsgroße Webervogel hat einen schwarzen Fleck um den blau-grauen Schnabel. Die obere Kopfhälfte ist dunkelbraun und die Brust ist hellbeige. Die Flanken sind mit schwarzen Flecken versehen. Die hell geränderten Federn des Nacken und der beige-braunen Flügel haben eine geschuppte Wirkung. Geschlechter gleich.

Stimme: Ein „Tschipp-tschipp“ Gesang und ein harter „tip tip“ Alarmruf.

Nest: Massive riesige heuhaufenartige Grasnester, in dem sich bis zu 100 separate Kammern befinden.

Brutzeit: Julie – April (Regen bedingt)

Nahrung: Insekten, Pflanzensamen

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Besonderes

Das Bemerkenswerteste an dieser Vogelart ist ihr außergewöhnliches Brutverhalten. Diese geselligen Siedelweber, auch Siedelsperling oder in Afrikaans Familievoel (Familienvogel) genannt, haben eine besondere Nestbautechnik entwickelt. Jede Kolonie, bestehend aus 6-300 Vögeln, baut aus Grashalmen ein Gemeinschaftsnest. Siedelweber bauen die größten Gesellschaftsnester der Vogelwelt, welche eine Größe von 7,5 x 3,5 m, ein Gewicht von bis zu 1 000 kg und räumlich eine Anzahl von 125 Brut- und Wohnkammern erreichen können. Die Nestbautechnik dieses südafrikanischen Sperlingsvogels erhebt Anspruch auf Einmaligkeit. Andere Arten der Unterfamilie Sperlingsweber bauen retortenförmige Nester mit zwei Eingängen in der Nichtbrutzeit.
Als Ausgangspunkt für den Bau werden größere Bäume, Köcherbäume und Telefonmasten benutzt. Kameldornbäume, sofern vorhanden, werden bevorzugt benutzt da deren Äste wegen des harten Holzes im Stande sind die schwere Last dieser Mammutnester zu tragen. Hierbei gilt zu berücksichtigen dass das Nestgewicht sich in der Regenzeit, im feucht gewordenen Zustand, verfünffachen kann. In Gegenden, vor allem im tiefen Süden Namibias in der Umgebung des Fischfluss Canyons, wo Kameldornbäume nicht so häufig wachsen, dient die dort höchst wachsende Pflanze, der Köcherbaum, als „Fundament“. Da der Köcherbaum deutlich kleiner ist als ein Kameldornbaum passiert es nicht selten dass ein Siedelwebernest die gesamte Krone eines solchen Baumes verdeckt. In Gegenden wo höhere Bäume Mangelware sind, verdanken Siedelweber ihre Verbreitung in solche Gegenden indirekt dem Menschen, dort werden Telefonmasten oder gar Hochleitungsstrommasten als willkommene Nestplattformen genutzt. Der Vorteil der Verwendung von Köcherbäumen, Telefonmasten und Strommasten als Bauplattform liegt im Schutz gegen Schlangen. Die Masten und die Rinde der Köcherbäume sind zu glatt als dass Schlangen diese erklimmen können.
Der Nestbau wird durch Schnabelstochern aus der Umgebung (Territorium) gesammelter steifer Grashalme an einem kräftigen Ast durch den Bau eines Daches begonnen. Nach der Vollendung des Daches legt jedes Paar seine Nestkammer mit vertikaler Eingangsröhre unter dem Dach an und verteidigt sie gegenüber anderen Brutpaaren. Die Eingangsröhre ist mit diagonal abwärts weisenden Grasstängeln bekleidet, die Schutz vor Nesträubern bieten, nicht aber vor Schlangen. Weitere Feinde des Siedelwebers sind Fuchsmanguste, Trauerdrongo, Gabarhabicht, Weißbürzel Singhabicht und Zwergfalke. Sich bei Raststätten ansiedelnde Siedelweber nutzen gerne die dort vom Menschen liegen gelassenen Schnüre und Garn als Nestraumpolsterung. Solche Materialien werden den Vögeln zum Verhängnis als dass sie sich darin verheddern und einen qualvollen Tod erleiden.


Durch das jahrelange Bewohnen eines Gemeinschaftsnestes wird auch das Dach immer wieder verstärkt und neue Brutkammern werden angebaut, wobei manche Nester im Laufe der Zeit enorme Ausmaße annehmen und Äste oder gar den gesamten „Gastgeberbaum“ völlig zudecken und unter der Last zusammenbrechen lassen. Dies führt zwangsläufig zu einer Kolonieneugründung.
Die in Einehe lebenden Vögel nutzen solch ein Vogelhotel sowohl als Brutkammer und als Schlafkammer, bewohnen die Anlage mit 200 bis 300 Koloniemitgliedern also das ganze Jahr. Obwohl einzelne Vögel kaum ein Alter von drei bis fünf Jahre überschreiten, sind bewohnte Nester von einem Alter von über hundert Jahren bekannt. Dies bezeugt den intensiven Zeitaufwand den die Vögel in die Instandhaltung ihrer Nestkolonie investieren.

Fragt man sich nach dem Sinn einer solch energieaufwendigen Anlage, drängt sich das Thema Energieeffizienz in den Vordergrund. Die Struktur und Größe ihrer Nester ermöglicht dieser Vogelart das Nutzen einer Nische in diesem ariden Lebensraum, wo sonst keine ähnliche Vogelart überleben könnte. Die klirrend kalten Winternächte und sengend heißen Tage sind Lebensfeindlich in dem Lebensraum dieser Vögel. Da aber die Temperaturen in diesen großen Strohnestern Nachts und Tags wohltemperiert bleiben haben diese Webervögel ein Energieersparnis wodurch sie die stark schwankenden Temperaturen und die Futterknappheit bewältigen können.
Die Nestgröße ist aber gleichzeitig der bestimmende Lebensraumfaktor. Die hohe Graskonzentration solch eines Nestes beginnt in einem Gebiet mit höherem Niederschlag zu schimmeln und zerfällt frühzeitig. Der dadurch zu häufig entstehende Neu- oder Wiederaufbau ist zu energieaufwendig.


In lebensfeindlichen Gebieten wie dem des Lebensraums der Siedelweber blieben solche bequeme Einrichtungen wie diese Siedelwebernester in der Evolutionsgeschichte einiger anderer Tierarten nicht unentdeckt. Somit nutzen Sekretärvögel und unterschiedliche Eulenarten nicht selten die Dächer dieser großen Strohnester als bequeme, fertige Nester. Einzelne, unbewohnte Brutkammern werden auch von Rosenamadinen, Rosenpapageien, Aschenmeisen, Rostschwanzschmätzern, Rotstirnbartvögeln, Perlkauz, Bilchmäusen und Dickfingergeckos als Unterschlupf und zu Brut- und Übernachtungszwecken genutzt. Auch Afrikas kleinste Falkenart, der Zwergfalke, wohnt öfters bei den Siedelwebern zur Untermiete. Dieser kleine, treffend bezeichnete Zwergfalke weist ein sehr territoriales Verhalten auf. Der Kern seines Revieres ist das Vogelhotel, welches er im „Gegenzug“ zur Untermiete im Umkreis von bis zu 1 000 Metern Radius gegenüber Artgenossen und sonstigen unangenehmen Eindringlingen verteidigt.
Es ist nicht ausgeschlossen dass eine Kommunikation zwischen dem Zwergfalken und den Siedelwebern besteht, da sich die Laute dieser beiden Arten sehr ähneln. Sogar innerartlich sind bei Zwergfalken unterschiedlicher Siedelweberkolonien Dialekte zu erkennen.

Aber nicht nur andere Tierarten profitieren von der Anwesenheit des Siedelwebers sondern auch Menschen profitieren und profitierten vom Siedelsperling.
Während regelmäßig auftretenden Dürrejahren „ernten“ manche Viehfarmer die Grasnester von den Bäumen und können mit dem verfüttern eines durchschnittlichen Nestes 40 Schafe über zwei Tage ernähren. Der informierte Farmer ist sich jedoch der Vorteile der Anwesenheit intakter Siedelweberkolonien auf seinem Land bewusst. Bis zu 1.6 km Nestumkreis halten diese tüchtigen Helfer frei von Plagegeistern wie Zecken, Heuschrecken und Grasschneidertermiten (Hodotermes mossambicus). Alleine die Grasschneidertermite kann einen Schaden von bis zu 25% Weideverlust verursachen.
Auch die Buschmänner, auch San genannt, ein kleinwüchsiges Jäger- und Sammlervolk in Namibia und Botswana mit rund 50 000 Angehörigen, nutzten die Anwesenheit dieses kleinen Tieres. Die San wurden früher von bantusprachigen Völkern und europäischen Siedlern in die Kalaharihalbwüste abgedrängt und entwickelten sich als wahre Überlebenskünstler. Fast alles was die karge Natur ihnen bot, wurde verwertet. Unter anderem wurden ausgeblasene Straußeneier als Wasserbehälter benutzt. Die beachtlichen Ansammlungen trockener Kot der Siedelweber unter deren Gesellschaftsnestern, welcher dem Baum auch als Dung dient, wurde von den San gesammelt und als Hefezusatz dienendes Mittel zum Brauen ihres Nxannetjiegoup Biers verwendet, nach natürlichem Reinheitsgebot.

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