Thursday, 4 July 2013

109 | EIN BEWEIS FÜR DIE UNVOLLKOMMENHEIT DER NATUR

109


EIN BEWEIS FÜR DIE UNVOLLKOMMENHEIT DER NATUR?

Gelbschnabeltoko

Fotos und Text von Stefan Rust
2013

(In terms of the Geneva Convention the copyright of these texts belong to Stefan Rust)

                                                               Tockus leucomelas


Steckbrief

Namen: Tockus leucomelas (Lateinisch) / Southern Yellow-billed Hornbill (Englisch) / Geelbekneushoringvoel (Afrikaans)

Familie: Nashornvögel

Verbreitung: Afrika südlich des Äquators

Lebensraum: Baumbestandene Savanne

Größe: 50-60 cm

Gefieder: Dieser mittelgroße Vogel mit langem gelbem Schnabel, langem Schwanz und breiten Flügeln hat ein schwarz, weiß, graues Gefieder, bei den Geschlechtern gleich.

Stimme: Rauhe, glucksende Rufe

Nest: Natürliche Baumhöhle.

Brutzeit: Januar - April

Nahrung: Insekten, kleine Tiere, Früchte und Saat.


Besonderes

Die Eier werden in eine natürliche Baumhöhle gelegt, deren Eingang dann vom sich in der Höhle befindenden Weibchen mit vom Männchen Schnabelweise herangebrachten Lehm und Exkrementen bis auf einen schmalen senkrechten Schlitz verschlossen wird. Auf diese Weise gut geschützt vor Feinden wie Pavian und Schlange, bebrütet sie die Eier und wird vom Männchen mit durch den Schlitz gereichter Nahrung gefüttert. Sind die Küken halberwachsen, durchbricht das Weibchen die Lehmmauer und Männchen und Weibchen beliefern die Küken mit Baumaterial welche sich dann selbst zumauern mit dem für die Fütterung notwendigen Schlitz frei lassend. Erst wenn sie flügge sind brechen sie die Versiegelung wieder auf.


Da das Weibchen während der Brutzeit vollständig von ihrem Partner abhängig ist vergewissert sie sich vorerst der Treue und Vitalität ihres Partners indem sie das Männchen vor Eiablage und Mauser erst einem von ihr veranlassten Treuetest unterzieht. Wohl schon eingemauert prüft sie in den ersten etwa 5 Tagen ob ihr Partner sie auch tatsächlich mit Futter beliefert. Scheitert er bei dieser Prüfung, so hackt sich das Weibchen wieder frei und ist gerettet.
Ist das Weibchen mit den Prüfungsergebnissen zufrieden, schreitet sie, zugemauert wie in einem Verlies, zur Eiablage und die Brutzeit effektiv nutzend, beginnt bei ihr die Totalmauser. Soviel zum Multitasking Talent der Frauen, schon in der Tierwelt zu beobachten.
In Baumhöhlennestern birgt die Unhygiene einen hohen Kükenverlust. Aber auch hier hat der schlaue Vogel sich was einfallen lassen. Um die Hygiene im Nest zu gewährleisten, werden Tausendfüßler genutzt. Nicht nut werden Leibstücke von Tausendfüßlern in die Betonmischung eingearbeitet sondern das Männchen reicht dem Weibchen zu Beginn der Brutzeit einen Tausendfüßler durch den Schlitz. Das Weibchen zerquetscht ihn und verteilt das Sekret säuberlich auf dem Nestboden. Diese Flüssigkeit hat eine Desinfektionswirkung.
Das Multitasking des Weibchens, sich während der Brutzeit gleichzeitig einer Vollmauser zu unterziehen, führt zu einer bei den Vögeln etwas seltener vorkommenden und somit auch seltener bekannten Art der Mauser. Hierbei mausern sich die beiden Geschlechter einer Art zu unterschiedlichen Zeiten. Denn würde sich das Männchen gleichzeitig wie das Weibchen mausern, könnte der Partner seine Partnerin nicht verpflegen. Also mausert sich das Männchen erst später.

Der Schnabel des Gelbschnabeltoko ist wie bei allen Nashornvögeln und Tukanen groß und unglaublich leicht. Auch sind diese überdimensional groß wirkenden Schnäbel bei der Essensbeschaffung eine große Hilfe, so standen Forscher lange Zeit vor einem Rätsel. Alleinig für die Essensbeschaffung ist ein Schnabel in diesem Format nicht nötig. Und weil man keinen ausschlaggebenden Grund für solch überdimensionalen Schnäbel fand, standen diese Vögel als Exemplar für die Unvollkommenheit der Natur dar. Nicht wenige Forscher bezeichneten die Natur anhand der “unnötig” großen Schnäbel dieser Vögel als verschwenderisch, sie gehe verschwenderisch mit Materialien um. Selbst namhafte Naturforscher wie Georges Louis Marie Leclerc, Comte de Buffon, Mitte des 18. Jahrhunderts, meinte die unnützen Schnäbel stünden exemplarisch für die zahlreichen Fehler der Natur. Bei den Tukanen vermutete beispielsweise Alexander von Humboldt mit den Schnäbeln ein Gerät zum Fischfang.
Die ausschlaggebende Funktion dieser Sandwich-Schnäbel brachte vor wenigen Jahren der kanadische Physiologe Glenen Tattersall ans Licht. Die monströsen Schnäbel, reich mit Blutgefässen ausgestattet, dienen dank ihrer großen Oberfläche als genau regulierbares Organ zur Kontrolle der Körpertemperatur.

Die Natur ist also doch vollkommen und sind es nicht eher die Menschen die wir begriffsstutzig oder unverständlich für die Vollkommenheit der Natur sind?
Vielleicht dient das Markenzeichen des Gelbschnabeltoko, der hübsche gelbe Schnabel, diesem interessanten Tier auch als Thermometer.

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